Bürogebäude Ritterstrasse 16

Im trendigen Berlin-Kreuzberg ist ein Bürogebäude für den digitalen Zeitgeist Industry 4.0 entstanden. Die ausdrucksstarke Fassade aus Betonfertigteilen gibt dem Gebäude eine unverwechselbare, identitätsstiftende Adresse.

Die Ritterstraße verläuft durch den historischen Teil Kreuzbergs, sozusagen zwischen Moritzplatz und Kottbusser Tor. Historisch ist dieser Stadtteil Berlins als Rollkutscher-Viertel bekannt. Wo vor dem Zweiten Weltkrieg eine extrem dichte Blockrandbebauung mit Fabriken und angrenzenden schmalen, schwach beleuchteten Hinterhöfen herrschte, siedeln sich heute wieder Gewerbebetriebe an.

 Durch die notwendige Neubebauung nach den großen Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges wurden die Innenhöfe wieder geöffnet und seit dem Fall der Mauer konnte die städtebauliche Einheit des Blocks schrittweise wiederhergestellt werden. Der Neubau Ritterstraße 16 ist durch drei Brandwände miteinander verbunden und bildet so eine neue Gewerbeeinheit mit zwei Innenhöfen. Auf einer Bruttogeschossfläche (BGF) von 9.000 m2 erstreckt sich das Gebäude über sechs Vollgeschosse und verfügt über eine Tiefgarage für 12 Pkw und 68 Fahrräder, eine moderne Büroimmobilie sowie ein sogenanntes „Mehrmietergebäude“. Hier ist der digitale Zeitgeist am Werk und die hier ansässigen Unternehmen sind fast alle Vertreter der trendigen Industry 4.0.

Moderne Gebäudetypologie

Die Ritterstraße 16 ist ein Paradebeispiel moderner Geschäftshaustypologie. Der Zugang zu den Büros erfolgt auftraditionelle Weise, über ein großes Tor, das durch den gewölbten Flügel des Gebäudes in einen weitläufigen Innenhof führt. Von hier aus gelangt man über eine Lobby zu Aufzug, Treppenhaus und den bis zu 400 m2 großen Büroeinheiten. Jede Einheit verfügt über eine eigene Loggia oder Dachterrasse. Die bis zu 40 m langen Fassadenabschnitte werden gestalterisch und funktional segmentiert und dadurch aufgelockert. Eine Fertigbetonfassade umschließt den baulichen Kern netzartig – in der Architektursprache spricht man hier von einer „Creative Fabric“. Die durchgängigen Linien der strahlend weißen Betonstreben zieren dieses Gewebe, das sich um das gesamte Gebäude einschließlich Hofeinfahrt, Tiefgarageneinfahrt, Loggien und Dachterrassen windet. Richter Musikowski ist es gelungen, die traditionellen Kreuzberger Innenhöfe umzukehren: Anstelle von engen Gassen und dunklen Gebäuden prägen offene, tageslichtdurchflutete Flächen und Räume das Ambiente.

Ob Essbereiche, Loggien, Terrassen oder Innenhöfe, überall geht es hell, offen und freundlich zu. Alle Fassaden, ob zur Straße oder zum Innenhof, folgen der gleichen Formel: Zarte, dunkel bronzefarbene Aluminiumfenster bilden die erste Ebene und einen funktionalen und farbenfrohen Kontrast zu der robusteren und helleren Oberfläche direkt davor. Zusammen bilden die beiden Schichten eine tief gestaffelte Fassade mit imposanter Präsenz. Die selbsttragenden, rechteckigen Betonrahmen und -streben in edler Carrara-Marmor-Optik bestehen aus einer speziellen Betonmischung mit hydrophober Beschichtung. Die Länge variiert jeweils zwischen 3,75 m und 6,25 m. Kennzeichnend für diese Bauweise ist eine diagonale Abstützung im 75-Grad-Winkel in jedem der Fassadenrechtecke. Mit fast spielerischer Leichtigkeit verleihen diese Stützen der selbsttragenden Betonfassade zusätzliche Steifigkeit. Die Ansicht zeigt Drei-, Vier- und Fünffenstersegmente mit entsprechenden Betonfertigteilen.

Leicht wirkende Solidität

Trotz der Materialdichte und des Gewichts des Betons wirkt das Gebäude selbst leicht. Die massiven 625 x 300 cm großen Betonrahmen und -streben wurden im Werk allesamt sandgestrahlt, wodurch bei genauer Betrachtung eine offene Porosität und Maserung erkennbar ist. Aus der Ferne erzielen die Betonteile eine samtige Oberflächenwirkung. Präzise Schattenfugen trennen die einzelnen Betonrahmen voneinander und sorgen für große Fugen in einer wohlproportionierten Fassade. Das Ergebnis ist keine starr wirkende Massivität, sondern eine geradezu tänzerische Leichtigkeit. Die dezente Betonakzentuierung in Kombination mit dem durch Sandstrahltechnik erzielten Effekt trägt maßgeblich zur schwerelosen Optik bei. Statt geschlossen zu sein, wirkt das Raster der Betonfassade offen, transparent und einladend. Konstruktiv sind alle Betonelemente selbsttragend. Sie werden vor dem eigentlichen Baukörper angebracht, mit Steckverbindungen zusammengesteckt und mit Ankern an der Stahlbetonskelettkonstruktion befestigt.

In puncto Detaillierung hat die Fassade mehr zu bieten. Ihre strukturelle Einheit als „Kreativstoff“ ist trotz der Tiefe und des Farbkontrasts mit der Aluminium-Fensterfront bemerkenswert. Als Gesamtkonzept geplant, sind sämtliche Funktionserfordernisse wie Entwässerung, Sonnenschutz etc. komplett verborgen. Dadurch ergeben sich klar definierte und gut abgegrenzte Übergänge von einem Material oder auch einer Funktionalität zur nächsten. Letztere ist zudem von kleinen Feinheiten geprägt. So sind beispielsweise sämtliche Flächen der Betonfassade, an denen sich Regenwasser sammeln könnte, leicht geneigt und wo notwendig mit entsprechenden Tropfnasen versehen. Harmonie entsteht durch das übergreifende Zusammenspiel von Oberflächen und Materialien wie Sichtbeton im Zusammenspiel mit den Holzböden der Loggias und Terrassen und dem Edelstahlgewebe der Brüstungsfelder in Kombination mit eloxiertem Blech.

Fertigteile für die Zukunft

Für die Architekten von Richter Musikowski stellt die Ritterstraße 16 mit dem Einsatz von Betonfertigteilen in der Fassade ein absolutes Novum dar. Trotzdem gelang es ihnen schnell, eine starke Identität, Unverwechselbarkeit und eine wiedererkennbare Form im Verhältnis zu den Nachbargebäuden zu schaffen. Ein Wohnhaus aus den 70er Jahren auf der gegenüberliegenden Straßenseite setzt mit seinem groben Fugenbild aus Waschbeton-Fassadenplatten dieses Thema wirkungsvoll in Szene. Richter Musikowski hat dies berücksichtigt und ein atemberaubendes zeitgenössisches Äquivalent entwickelt.